Eine verpasste Chance für Tulln

Warum € 4,5 Mrd. für Kinderbetreuung in Tulln nichts bewirken...

Der Anfang - Warum "Good Afternoon"?

Im Jahr 2012 beschlossen mein Mann und ich, eine hochwertige Nachmittagsbetreuung ins Leben zu rufen, nachdem wir durch Kontakt mit Eltern und Kindern die Notwendigkeit dafür erkannt hatten und weder Gymnasium noch Mittelschulen eine Betreuung für 10- bis 14-Jährige angeboten haben.
 
Nach Erwerb und Umbau des Hauses Wilhelmstraße 21 nach den Vorschriften des Landes Niederösterreich starteten wir mit der gemeinnützigen Betreuung im Herbst 2013 mit 22 Kindern. Im Laufe der Jahre stieg die Zahl der betreuten Kinder auf bis zu 86 pro Jahr, insgesamt betreuten wir in den vergangenen zehn Jahren 640 Kinder mit einem Team zwischen sieben und zehn Mitarbeitern.
 
Wir beendeten aus persönlichen Gründen diese Form der Betreuung mit dem letzten Schuljahr im Juni 2023. 
 
Da wir aber von der Wichtigkeit und Notwendigkeit einer qualitätsvollen und altersadäquaten Nachmittagsbetreuung – sowohl im akademischen als auch im sozialen Bereich – für Kinder der Unterstufe nach wie vor absolut überzeugt sind, boten wir der Gemeinde Tulln unsere Räumlichkeiten und den Garten, der auch der Volksschule I zur Verfügung gestanden wäre, für die Weiterführung einer Kinderbetreuung an.

Chronologie politischer und menschlicher Ignoranz gegenüber Kindern und deren Familien

seit 2013: Auf der Gemeindewebsite wurde zum Thema „Nachmittagsbetreuung“ bis August 2023 immer auf „Good Afternoon“ verwiesen, da die Stadtgemeinde Tulln nie ein eigenes Angebot für die Altersgruppe der 10- bis 14-Jährigen entwickelt hatte.

20. September 2022: Erstes Gespräch mit Bürgermeister Mag. Peter Eisenschenk bezüglich möglicher Schließung von „Good Afternoon“ unsererseits und notwendiger Nachmittagsbetreuung für die Kinder der Mittelschulen von Seiten der Gemeinde.

Ende Jänner 2023: Wir teilten dem Team und anschließend den Eltern, dem Bürgermeister und der Presse mit, dass wir mit 30. Juni 2023 schließen werden.

Anfang Mai 2023: Nach vielen intensiven Gesprächen mit der Stadtgemeinde Tulln und mithilfe der Unterstützung engagierter Eltern gab es eine Zusage des Bürgermeisters, ab Herbst 2023 eine Nachmittagsbetreuung von Gemeindeseite zu schaffen .

27. Juni 2023: einstimmig positiver Gemeinderatsbeschluss – Wilhelmstraße 21 – ehemaliges „Good Afternoon“ – soll von der Gemeinde zum Zweck der Nachmittagsbetreuung aller Unterstufenkinder ( Mittelschulen und Gymnasium) zu sehr günstigen Konditionen angemietet werden. Die Kinder der Volksschule I können den Garten ebenfalls nutzen. Außerdem hat die Gemeinde das Recht auf Untervermietung für Vereine und Gemeindeprojekte außerhalb der Nachmittagsbetreuungszeiten, das heißt, alle Vormittage, Abende und Wochenenden.

Das Angebot umfasste:
Ein behindertengerechtes Gebäude (neuer Aufzug) mit fünf Ebenen im Herzen von Tulln, das zur Gänze auf die Betreuung  10 – 14 jähriger spezialisiert und dementsprechend eingerichtet ist, Garten mit 1600 m2, neun Parkplätze plus überdachte Radabstellplätze.  
Kosten: Miete pro Monat € 5.843,70 für das gesamte Gebäude (583 m2). Parkplatz und Garten werden kostenlos zur Verfügung gestellt.
13. September 2023: Telefonische Information durch Herrn Bürgermeister Mag. Peter Eisenschenk –  der positive Gemeinderatsbeschluss soll bei der nächsten Gemeinderatssitzung am 20. 9. 2023 wieder aufgehoben werden, weil angeblich zu wenige Anmeldungen vorliegen.

20. September 2023:  Bürgermeister Mag. Peter Eisenschenk stellt in der Gemeinderatssitzung den Antrag auf Aufhebung des positiven Beschlusses vom 27. 6. 2023 zur Anmietung der Liegenschaft Wilhelmstraße 21. Die gesamte Opposition bittet darum, den Punkt von der Tagesordnung zu nehmen und nochmals gemeinsam zu diskutieren und später erneut zu entscheiden, ob die Anmietung zum Zweck einer hochwertigen Kinderbetreuung für die Tullner Kinder gemacht werden soll oder nicht.

Dieser Vorschlag wird jedoch von Bürgermeister Mag. Peter Eisenschenk strikt abgelehnt, worauf die fünf Oppositionsparteien gemeinsam aus dem Sitzungssaal ausziehen, die notwendige zwei Drittel-Mehrheit ist nicht mehr vorhanden, somit ist der Gemeinderat nicht mehr beschlussfähig, die Sitzung wird von Bürgermeister Mag. Peter Eisenschenk abgebrochen, die Aufhebung des Beschlusses vom 27. Juni 2023 kommt nicht zustande.

Exakt am selben Tag gibt die Bundesregierung bekannt, dass 4,5 Mrd. Euro zur finanziellen Unterstützung für Länder und Gemeinden zur Schaffung von 50.000 zusätzlichen Kinderbetreuungsplätzen bereitgestellt werden sollen. Ministerin Susanne Raab (ÖVP) sieht in dieser Maßnahme einen wichtigen Beitrag zur Selbstbestimmung der Frauen, zu ihrem beruflichen Fortkommen und zum Schließen des Gender Pay Gaps.

25. September 2023: Fortsetzung der durch den Auszug der Opposition abgebrochenen Sitzung. Für die Abstimmung braucht der Bürgermeister nun nur mehr 50 % Anwesenheit aller Gemeindräte, die TVP kann den Beschluss vom 27. 6. 2023 letztendlich durch ihre absolute Mehrheit aufheben, die gesamte Opposition enthält sich bzw. stimmt gegen diesen Antrag.  
Bürgermeister Mag. Peter Eisenschenk hat sich im Alleingang mit der TVP (Tullner Volkspartei) gegen eine hochwertige Nachmittagsbetreuung für die Tullner Kinder entschieden. Und das in der angeblichen „Stadt des Miteinanders“.
Sowohl die Eltern und Kinder als auch wir haben uns auf die Gültigkeit des am 27. Juni 2023 einstimmig gefassten Gemeinderatsbeschlusses verlassen. Erst am 13. September – eine Woche nach Schulbeginn – haben wir erfahren, dass dieses Vertrauen nicht gerechtfertigt war. 
 
Um Kosten zu sparen, hat sich die Gemeinde entschieden, in der Marc-Aurel Mittelschule in einem kleinen Klassenraum, der nicht speziell für die Nachmittagsbetreuung eingerichtet ist, die Kinder von nur einem Pädagogen betreuen zu lassen. Unser Angebot, den Raum auf unsere Kosten gemütlich zu gestalten, wurde von Fr. Stadträtin Kolosseus mit dem Argument abgelehnt, dass neben den Schultischen und Sesseln kein Platz für weitere Möbel vorhanden sei.
 
Unsere Frage an Sie – geschätzte Leser: Was ist von einem  „Kinderbetreuungs-Turbo“  im Ausmaß von 4,5 Mrd. Euro  auf Bundesebene zu halten, wenn auf lokaler Ebene kein Interesse an einer qualitätsvollen Umsetzung besteht – und – was passiert mit Ihrem Vertrauen in eine Partei, die so mit Menschen und Versprechen umgeht?
 
Herzlichst,
Ilse und Thomas Kefer